Visualisierung: Hansmeyer/Dillenburger

Der Turm von Mulegns ist Konzerthaus, Kunstinstallation, Aussichtsturm, Theaterkulisse und Denkmal in einem. Er erinnert an die Bündner Zuckerbäcker, Baumeister und Stuckateure, die einst die ganze Welt bereisten und ihr handwerkliches Können eindrücklich unter Beweis stellten.

Der Turm in der Region

Tor Alva („Weisser Turm“) ist ein 30 Meter hoher, 3D-gedruckter Bau entlang des Julierpasses im abgelegenen Dorf Mulegns, Schweiz. Der Weisse Turm von Mulegns wird direkt auf der historischen Fuhrhalterei errichtet. Das Gebäude besteht aus insgesamt sechs Zonen, die mit der Höhe immer lichter werden. Im Winter kann der Turm mit einer demontierbaren Membran vor Wind und Schnee geschützt werden. In der Dämmerung erscheint Tor Alva mit seinen eigenwilligen Öffnungen nachts wie eine Laterne und wird zu einem Leuchtturm entlang der alten Julier Pass-Straße. 

Der Turm hat eine ganze Reihe von positiven Nebeneffekten. Er beflügelt die Auseinandersetzung mit digitalen Architekturformen, die das Bauwesen in der Welt revolutionieren werden. Er steht mit seiner zeitgenössischen Präsenz für die Weltoffenheit und den Pioniergeist der Bündner Passdörfer. Er unterstützt einen sanften Tourismus, der zutiefst in der Geschichte des Ortes verankert ist. Er schafft solide Arbeitsplätze und wird wesentlich dazu beitragen, das Dorf Mulegns vor dem Aussterben zu retten.

Vielzahl an Funktionen

Tor Alva lässt verschiedene kulturelle Nutzungen zu und kann für Ausstellungen, Installationen, Vorträge, Konzerte und andere performative Formate genutzt werden. Tor Alva ist eine Abfolge von abstrakten, atmosphärisch dichten Zonen, die als vertikale Enfilade konzipiert sind. Der Turm kann individuell mit einem Hörspiel im Ohr begangen werden. In die Räume passen natürlich Zuckerbäckergeschichten. Sie können aber auch Dantes Divina Commedia oder die Reise des Kleinen Prinzen von Antoine de St. Exupéry mit starken Raumeindrücken illustrieren. 

Abstrakte Ästhetik

Die Räume sind sehr abstrakt gehalten. Es gibt darin keine konkreten Möbel, Betten oder Stühle, sondern nur starke Atmosphären. Das Licht fällt vom Treppenhaus in die inneren Räume. Die Öffnungen werden den Texturen entsprechend gestaltet. Die Kammern dürfen sehr expressiv sein, viel Raum beanspruchen. Die unterschiedlichen Strukturen ermöglichen starke räumliche Erlebnisse und werden durch die Einheit des Materials zusammengehalten. Insgesamt wird das Gebäude, das aus weissem Beton gefertigt wird, filigran und leicht wirken.

Kuppelsaal für Veranstaltungen 

Der hohe und lichte Theatersaal eröffnet einen grosszügigen Ausblick über die beeindruckende alpine Landschaft und das Dorf Mulegns. Dieser Saal bietet Platz für 45 Besucher, die unter der Turmkuppel kleine Veranstaltungen verfolgen können: Konzerte mit rätoromanischen Liedern, elektronische Kompositionen, Autorenlesungen und zeitgenössische Choreografien. Die Dachkonstruktion besteht aus einem zentralen, gewölbten Dach und acht filigranen Kuppelträgern. 

Säulen als zentrales Gestaltungselement 

Der Turm besteht aus vier Stockwerken mit je acht Säulen. Das zentrale Gestaltungselement des Turms besteht aus einer Serie von 32 verzweigten Säulen, die aus dem 3D-Druckverfahren hergestellt werden und die verschiedenen Ebenen des Gebäudes tragen und die Fassade bilden. In den unteren Zonen schaffen schwere, gedrungene Säulen enge, imposante Räume. Beim Aufstieg entlang der zentralen Wendeltreppe wird der Raum spürbar leichter und luftiger.

Jede Säule ist zweifach verziert: mit einem horizontalen, durch das Betondruckverfahren abgeleiteten Materialornament und einer darüber liegenden spiralförmigen Textur, die die Höhe des Gebäudes betont. Die unterschiedlichen Säulengeometrien ermöglichen starke räumliche Erfahrungen und werden durch die Einheit ihres Materials zusammengehalten. Die hellen Materialien und die markanten Strukturen fördern das architektonische Spiel von Licht und Schatten. 

Symbolik – Hommage an die Bündner Zuckerbäcker

Als Hommage an die Bündner Zuckerbäcker wird die Bespielung des Turmes das Val Surses beleben und international ausstrahlen. Der Turmbau erzählt von der raffinierten Kunstfertigkeit und vom hartnäckigen Pioniergeist der Bündner Emigranten. Er erinnert auch an die Tragik und Ambivalenz des Emigrantendaseins. Viele Auswanderer sind in der Fremde verschollen, manche starben in Übersee oder gingen in der Anonymität der Städte unter. Wenigen gelang der wirtschaftliche Aufstieg. Eines verbindet sie alle: Wenn immer möglich, kehrten sie im Alter in die Heimat zurück. Nicht selten stellten sie ihr Wissen und Vermögen in den Dienst der Allgemeinheit, bauten Schulhäuser, Mühlen und Wasserleitungen zum Wohl der Daheimgebliebenen.

Der Turm erinnert auch an die Not der Emigranten, die einst ihr Heimatdorf verliessen, um ihr Brot in der Fremde zu verdienen. Auch heute sind die Bergdörfer wieder von den Folgen der Abwanderung betroffen. Die Turminstallation führt das Erbe der Zuckerbäcker und Baumeister weiter. Innovationsgeist und Experimentierfreude prägen den vollständig digital gefertigten Turm, der im Mai 2024 im Bergdorf Mulegns errichtet werden soll.