Mit ihrer markanten Architektur und dem bahnbrechenden Einsatz von Technologie veranschaulicht der Weisse Turm das transformative Potenzial von computergestütztem Design und digitaler Fabrikation in Architektur und Bauwesen. Der Einsatz des 3D-Drucks ermöglicht einen kühnen, nicht-standardisierten architektonischen Ansatz, der eine aussergewöhnliche Vielfalt an Formen bietet und gleichzeitig wirtschaftliche und ökologische Vorteile mit sich bringt.
Der Turm in der Region
Der Turm verkörpert einen neuen Ansatz architektonischer Formgebung, der auf mehreren Ebenen wirkt: von der grossen organischen Form der Struktur selbst bis hin zu massgefertigten, sich verzweigenden Säulen und ihren komplex ornamentierten Mikrostrukturen. Anstatt lediglich konventionelle Bauweisen zu replizieren, verfolgt das Projekt Weisser Turm eine neuartige Designsprache, die die besonderen Qualitäten von 3D-gedrucktem Beton hervorhebt.
Bei Einbruch der Dämmerung verwandelt sich der Weisse Turm, dessen markante Öffnungen wie eine Laterne leuchten und als Leuchtfeuer entlang der historischen Julierpass-Route dienen. Im Winter wird der Turm durch eine transparente, abnehmbare Membran vor den Elementen geschützt und so vor Wind und Schnee bewahrt.
Ein Kuppeltheater über dem Dorf
Der Weisse Turm ist als vertikale Enfilade konzipiert, die sich über fünf Geschosse erstreckt und ein einzigartiges Raumgefühl bietet. Beim Aufstieg über die Wendeltreppe durchschreiten die Besucher atmosphärisch dichte Räume, die von dunklen, intimen Kammern im unteren Bereich bis zu hellen, luftigen Räumen weiter oben reichen. An der Spitze gelangen die Besucher zum Kuppeltheater – einem intimen Aufführungsort mit 32 Plätzen und einer zentralen Bühne. Dieser Raum wird von einer filigranen Kuppel gekrönt, die von acht zarten, sich verzweigenden Säulen getragen wird. Das Theater kann eine Vielzahl kleinerer Veranstaltungen beherbergen: Konzerte mit lokalen Liedern, elektronische Kompositionen, Autorenlesungen und zeitgenössische Choreografien. Besucher geniessen einen Panoramablick über die majestätische Alpenlandschaft des Val Surses.
Eine Struktur aus 32 einzigartigen Säulen
Das Kerndesignelement des Turms besteht aus 32 einzigartigen, 3D-gedruckten Betonsäulen, die die verschiedenen Ebenen des Gebäudes tragen und seine Fassade definieren. Diese variieren in ihrer Form von breiten und robusten Säulen mit einer Höhe von 3,4 Metern in den unteren Geschossen bis hin zu schlanken, ineinander verschlungenen Säulen im obersten Geschoss, die eine Höhe von 6 Metern erreichen. Obwohl sich die Formen dieser Säulen unterscheiden, werden sie durch die Konsistenz des Materials vereint, das die gesamte Struktur visuell und konzeptionell zusammenhält. Der helle, weisse Beton und die wellenförmigen Formen der Säulen verstärken das architektonische Spiel von Licht und Schatten.
Mehrere Ornamentebenen – Ein digitales Handwerk
Dank computergestütztem Design und digitaler Fabrikation ist jede Säule ein Unikat und weist drei verschiedene geometrische Artikulationsebenen auf. Auf der ersten Ebene haben die Säulen eine organische, knochenartige Form, die hilft, seitliche Kräfte ohne zusätzliche Verstrebungen aufzunehmen. Um den Materialverbrauch zu optimieren, wird eine zweite Artikulationsebene eingeführt, die die dünnen Schalen der Säulen verstärkt. Diese Ebene besteht aus breiten, spiralförmigen Wellen, die die Oberfläche der Säulen aufsteigen und die Höhe des Turms betonen. Die dritte Artikulationsebene fügt jeder Säule eine einzigartige Ornamentik hinzu, die durch die Manipulation des Extrusionspfades beim 3D-Druck des Betons entsteht. Diese materialbasierte Ornamentik spiegelt direkt die Fertigungstechnik wider und erhöht die visuelle Komplexität der Struktur. Solch ein neuartiges digitales Handwerk erinnert an die Kunstfertigkeit der Barockbaumeister in Graubünden und schlägt eine Brücke zwischen historischen Traditionen und zukünftigen Innovationen.
Der Weisse Turm im Dorf Mulegns
Der Weisse Turm wird direkt auf dem historischen Kutschenremise errichtet. Das Projekt Weisser Turm fügt dem Dorf Mulegns nicht nur ein neues Highlight hinzu, sondern wertet das gesamte historische Ensemble auf und restauriert es.
Hoch in den Schweizer Alpen am Julierpass gelegen, hat das Dorf Mulegns seit langem historische Bedeutung. Einst eine Postkutschenstation auf der Route, die die Zentralschweiz mit dem Engadin verband, stellte es die Verbindung zwischen Zürich und St. Moritz dar. Ursprünglich ein bescheidenes Dorf, wanderten viele Einwohner von Mulegns in grössere Städte aus und arbeiteten als Stukkateure und Konditoren. Erfolgreiche Rückkehrer bauten prächtige Villen, und als der Tourismus zu florieren begann, erlebte das Dorf eine Phase des Wohlstands.
Mulegns steht vor erheblichen strukturellen Herausforderungen. Viele Gebäude stehen leer, und die Einwohnerzahl ist im Jahr 2025 auf 12 gesunken. Die Stiftung Origen arbeitet daran, das reiche kulturelle Erbe des Dorfes zu bewahren und diesem historischen Ort neues Leben einzuhauchen. Bemerkenswert ist, dass die Weisse Villa – heute unter Bundesschutz – kürzlich durch eine bemerkenswerte Versetzung gerettet wurde. Das historische Posthotel Löwe wurde restauriert und empfängt wieder Gäste.
Der Weisse Turm markiert ein neues Kapitel in der Renaissance des Dorfes. Er wird direkt auf dem historischen Kutschenremise errichtet und reaktiviert dieses ehemals verlassene Gebäude, das nun als Eingang des Turms dient. Die Fundamente des Turms integrieren die bestehende historische Gewölbekonstruktion. Der Übergang zwischen Alt und Neu wird durch einen skulpturalen Sockel artikuliert, der vor Ort aus Beton gefertigt wurde.
A New Language of Ornament
The 3D-printed extruded concrete of the White Tower enables a distinctive «material-driven» ornamentation that emerges from the inherent properties of the concrete and the robotic deposition process. By introducing subtle variations in printing, such as adjusting the speed and angle of the extrusion, the robot seamlessly creates organic, irregular forms on the columns.
Alchemical Approach
The exact nature of the ornament is difficult to predict through digital modeling alone—its final form arises from an interplay of material behavior, robotic motion, and environmental factors. To navigate this uncertainty, designers create a «cookbook» of ornament recipes, mapping parameter combinations to specific textures and patterns. Each set of inputs yields a distinct aesthetic effect, requiring an iterative, almost alchemical approach to achieve the desired outcome.
New Digital Craftsmanship
The cookbook’s recipes enable mass customization, crafting unique column designs as effortlessly as standard forms. The concrete’s tactile surfaces invite visitors to touch and explore its dynamic form. This fusion of algorithmic precision and material responsiveness invites new possibilities for architectural expression, setting the stage for a new architectural artistry.